Diese inoffizielle Hymne der Stadt, geschrieben 1912 von Hofrat Rudolf Sieczynski, eigentlich Beamter am kaiserlichen Hof, ist auch heute noch aktuell. Keine andere Metropole schafft den Spagat zwischen gelebter KuK-Tradition und Aufbruch in neue Zeiten. Kühne Visionäre wie die Architekten Otto Wagner oder Adolf Loos veränderten das Stadtbild und brachten bahnbrechende Neuerungen in die Infrastruktur des Stadtlebens. Allen vorangestellt: Das Wiener Wasser. Vor 150 Jahren wurde zur Weltausstellung 1873 die I. Wiener Hochquellenleitung in Betrieb genommen. Das Hochquellwasser aus dem Schneeberggebiet südlich der Steiermark erreicht die Wiener Bürger über eine 95 Kilometer lange Leitung. Es gibt natürlich, wen wunderts, auch eine Wiener Wassersommeliere. Gerlinde Mock sensibilisiert mit ihren Tastings den Gaumen für das vermutlich beste Trinkwasser weit und breit. So ist es auch nicht überraschend, dass Wien schon seit den Zwanziger Jahren mit kostenlosem Wasser aus kunstvoll gestalteten Brunnen für große und kleine Wiener an heißen Tagen Kühlung und Erfrischung verschafft.
Dieser Tradition verpflichtet, entwickelt sich auch das moderne Stadtbild. Sei es der Bau von klimaneutralen Bauten oder spektakulär bei der Sanierung des denkmalgeschützten Wien-Museums am berühmten Karlsplatz. Vor zehn Jahren fiel die Entscheidung das historische Bauwerk zu sanieren und gleichzeitig, um ein Stockwerk zu erweitern. Großes Ziel: Co2-Emissionen fast auf Null zu reduzieren. Das Ergebnis lässt sich sehen. Autarke Energieversorgung durch Geothermie aus 60 Meter Tiefe, Fotovoltaik und Begrünung auf dem Dach. Das Museum als Raum für Nachhaltigkeit spiegelt sich auch im Bereich Inklusion wider. Es gibt eine Toilette – für – Alle. Der Wiener Standard resümierte: „Der Bau wird wohl das spektakulärste Museum Wiens“.
Aktiver Klimaschutz wird auch in den Wiener Bezirken (Grätzeln) gelebt. Bei einem Rundgang mit der Initiative Austria for Future zu sehen, wie die marode Mariahilfer Straße eine Begegnungsstätte für Flaneure, Radler und auch einigen Auto-Posern wurde. Streuwiesen-Beete, attraktive Sitzgelegenheiten verleihen dem Boulevard wieder Charme. Nach einigem Granteln sind auch die örtlichen Händler begeistert. Der Spaziergang geht weiter Richtung Naschmarkt und immer wieder stößt man auf blühende und duftende Streuwiesen-Beete haben Namensschilder wie Wiedener Wald. Ein nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz und auch eine optische Auffrischung trister Straßenzüge.
Wien ohne Kaffeehaus geht gar nicht. Das hat sich vor ein paar Jahren eine Gruppe von Pensionistinnen auch gedacht. So entstand die Idee für ein Mehrgenerations-Cafe. Im Cafe VOLLPENSION in der Schleifmühlgasse backen Oma und Opa für die jungen Gäste. Das Gewölbe ist mit historischen Objekten dekorativ gestaltet. Der Aufenthalt mit typischem Wiener Schmäh ist auch ein Ausflug in die Vergangenheit. Jedenfalls wenn man mit Charlotte, der ältesten Kuchen-Oma, in ein lauschiges Gespräch kommt. Sie erzählt über ihre Arbeit im legendären Hotel Sacher. Mit einem verlegenen Lächeln gesteht sie, einen nackten Rolling Stone morgens im Bett gesehen zu haben. Auf die Frage: „Und dann?“ Prompt die verschmitzte Antwort: „Me too gab es noch nicht.“ So ist Wien eben.
Tradition, Regionalität und Nachhaltigkeit wird bei Stefanie Herkner groß geschrieben. In der Wiedener Hauptstraße 36 hat sie in einem ehemaligen Installationsgeschäft das Credo ihres in Wien als Koch und Wirt bekannten Vaters – Wir sind a Wirtshaus – koa Gasthaus – übernommen. Als „Die Herknerin“ interpretiert Stefanie Omas Rezepte mit regionalen Produkten und das biologisch. Die Produkte stammen aus der elterlichen Landwirtschaft in Slowenien. Die Knödel-Ikone bietet wohl die besten Zwetschgen-Knödel ganz Wiens an.
Eine weitere Institution sind die Wiener Würstlstände. Auch hier wird es biologisch. Zumindest bei Mike Lanner. Der kreative Eventfachmann eröffnete in der Josepfstädter Pfeilgasse den ersten biologisch-zertifizierten Wurststand. Bosna und Würstl – alles Bio. Keine Alu-Dosen (das berühmte 16er Blech ade) – dafür Augustiner-Bier aus dem Salzburger Kloster. Durch ein haushohes grelles Graffiti ist die Imbissbude auch mit Stand-UP- Musik – Auftritten zum Kitztreffpunkt avanciert.
Der Heurige und das Wiener Lied ist ja festes Kulturgut. Auch hier wird Umweltschutz praktiziert. Martin Obermann ist Grinzings erster Bio-Winzer und verwendet ausschließlich natürliche Pflanzenschutzmittel. Sein gelber Muskateller mundet bei familiärer Atmosphäre rauschig. Davon konnte sich König Charles bei einem Besuch in 2017–noch als Prinz – persönlich überzeugen. Wie viel Fluchtachterl er kostete, ist nicht überliefert.
Ein besonderes kulinarisches Highlight ist das C.O.P. Das Restaurant von Haya Molcho, Ehefrau des berühmten Pantomimen Samy Molcho, liegt hinter dem Stephansdom und ist in der Bieber Gasse leicht zu finden.. Das Konzept beinhaltet das Farm-to-Table Prinzip. Die Gerichte orientieren sich an der levantinisch ausgerichteten Küche. Damit man in den Genuss der Spezialitäten von Baltic-Hering, Ceviche von der Goldbrasse oder gebackenem Wolfsbarsch kommt, empfiehlt es sich einen Abend zu zweit oder dritt einzuplanen. Teilen garantiert den perfekten Gaumengenus.
Wer Wien entspannt erkunden will, dem sei als Ausgangspunkt das Hotel Gilbert in der Breite Gasse im Bezirk Neubau empfohlen. Ein Gästehaus ebenfalls klimaneutral erbaut. Durch die begrünte Außenfassade nicht zu übersehen.
Zum Abschluss eines Wienbesuches darf ein Ausflug mit der 71er-Tram zum Zentralfriedhof Tor 2 nicht fehlen. Überraschung. Worauf trifft man? Richtig, eine Würstlbude. Natürlich biologisch nachhaltig. Der Name passt zum Standort: „Eh scho Wuascht“. Wien bleibt eben Wien nur Du allein.
Über den Autor
Herbert Barnehl
Als echten Holsteiner, geboren in Kiel und aufgewachsen in Glückstadt an der Elbe, zog es ihn schon in jungen Jahren in die Regionen südlich der Elbe. Getreu dem humorvollen Spruch: Südlich der Harburger Berge fängt der Balkan an. Bis dahin hat er es nie geschafft. Aber eine Vorliebe für griechischen Wein und deren Küche hat sich bis heute bewahrt. Vielmehr zog es Herbert in die die kulinarischen Regionen Frankreichs. Mit seiner Partnerin und Autorin Gabriele Droste verwirklichte er Reportagen (u. a.